Deutschland-Pakt: Der richtige Vorschlag, der zu wenig will und nichts wird

Bundeskanzler Olaf Scholz überraschte mit einem Angebot sowohl an politische Freunde als auch an demokratische Gegner: Ein Deutschland-Pakt soll dazu beitragen, die bürokratischen Hürden gemeinsam zu überwinden. Dies ist ein richtiger und guter Vorschlag, aber er wird wahrscheinlich scheitern – nicht aufgrund des Inhalts, sondern aufgrund des Unwillens der Opposition. Diese zeigt derzeit wenig Interesse an gemeinsamen Fortschritten und verdeutlicht zugleich, was wirklich reformiert werden muss: der Föderalismus.

Es ist derzeit nicht einfach, positive Aspekte in der Bundesregierung zu finden. Obwohl sie viele auch gute Maßnahmen umsetzt, wird ihr öffentliches Image oft als mangelhaft bewertet – sogar aus den eigenen Reihen. Kindergrundsicherung, Heizungsgesetz, Haushalt und Ukraine-Hilfe – in all diesen Bereichen herrscht Streit in der Ampel-Koalition, sie gönnt dem Koalitionspartner keinen Erfolg und es kommt am Ende gegenüber dem angekündigten oder geforderten zu wenig dabei heraus.

Die Sportverletzung von Olaf Scholz ist nicht nur Quelle vieler Memes, sondern auch Sinnbild für die bisherige Wahrnehmung der Ampel. Der Deutschland-Pakt soll helfen.
Die Sportverletzung von Olaf Scholz ist nicht nur Quelle vieler Memes, sondern auch Sinnbild für die bisherige Wahrnehmung der Ampel. Foto: © Steffen Kugler/Bundesregierung

Die Bürokratie als unüberwindbare Hürde

Die Ampel-Regierung wird auch für viele Dinge verantwortlich gemacht, die sie allein nicht kontrollieren kann. Die Bürokratie wurde nicht von der aktuellen Regierung erfunden, und der Bundeskanzler kann sie nicht einfach beiseite schieben. Sie setzt sich aus vielen verschiedenen Bausteinen zusammen und wird an vielen verschiedenen Stellen erweitert. Es gibt viele Verwaltungsebenen, von EU-Normen über Abkommen bis hin zu kommunalen Bebauungsplänen.

Der Deutschland-Pakt will schneller, moderner und sicherer gestalten
Das Ziel: Deutschland schneller, moderner und sicherer zu gestalten. Foto: Bundesregierung

Der Deutschland-Pakt möchte dieses Problem angehen, indem er die Hindernisse beseitigt, die durch die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Landesebene entstehen. Ein Beispiel hierfür ist die Versammlungsstättenverordnung (VStättV), die in fast jedem Bundesland unterschiedlich ist. Dies betrifft Regeln für Räumlichkeiten mit Publikumsverkehr, wie die Gestaltung von Bühnen, Fluchtwegen, Treppenstufen und Sitzplatzkapazitäten. Bemühungen, einheitliche Regeln für Bayern, Hamburg, NRW, Thüringen und andere Bundesländer zu finden, sind bisher gescheitert.

Noch problematischer wird es bei der Installation von Solaranlagen oder Windrädern, über die an vilen anderen Stellen ausführlich berichtet wird. Es gibt viele Bereiche, in denen die Verwaltung eher hinderlich als hilfreich ist. Die Bundesregierung selbst nennt viele dieser Punkte im Rahmen des Deutschland-Pakts. Die meisten dieser Punkte sollten eigentlich selbstverständlich sein, und es ist fragwürdig, ob über sie überhaupt diskutiert werden sollte.

Parteitaktik statt Deutschland-Pakt?

Anscheinend muss jedoch darüber diskutiert werden, da es sofort Widerstand gibt. Anstatt sich gemeinsam für Deutschland einzusetzen, verhalten sich die ersten Stimmen der CDU, der wichtigsten Oppositionspartei, zögerlich. Statt eines Deutschland-Pakts wird ein Anti-Einwanderungs-Pakt vorgeschlagen, anstatt Lösungen zu suchen, wird Populismus bevorzugt. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine gemeinsame Linie gefunden werden kann, denn ein funktionierender Deutschland-Pakt, der drängende Themen wie Infrastruktur, digitale Verwaltung, Energiesicherheit und Wohnungsbau angeht, wäre das beste Mittel zur Stärkung der Demokratie gegenüber den Populisten am rechten Rand.

Selbst wenn der Deutschland-Pakt funktionieren würde, was angesichts der anstehenden Landtagswahlen und der Selbstfindungsstörungen der Union unwahrscheinlich ist, wäre er nur eine Behandlung der Symptome. Denn die eigentliche Ursache für die aufgeblähte Bürokratie ist der bereits erwähnte Föderalismus. Eine Reform dieses Systems scheint jedoch aussichtslos zu sein, aufgrund zu vieler individueller Interessen und der Angst vor dem Verlust der Entscheidungsgewalt.

Föderalismus als Endgegner des Bürokratieabbau

Aber brauchen wir wirklich für alles separate Regelungen auf Landesebene, oder würden bundesweit einheitliche Standards nicht ausreichen? In der aktuellen Ausgabe der „heute show“ mit Schwerpunkt auf Wohnungsbau wurde berichtet, dass ein standardisiertes Fertighaus in jedem Bundesland unterschiedlichen Normen unterliegt, was die Gestaltung eines „Deutschland-Hauses“ nahezu unmöglich macht.

Es ist wichtig anzuerkennen, dass Deutschland ein föderaler Staat ist, und dieser föderale Ansatz sollte nicht zugunsten eines zentralistischen Systems wie in Frankreich aufgegeben werden. Dieser föderale Ansatz hat historische Gründe und soll die Vielfalt und Vielseitigkeit des Landes widerspiegeln, was ihm gelingt. Leider führt dies auch zu unnötigen Hindernissen für Unternehmen und Bürger. Eine Reform, die eine stärkere Vereinheitlichung der länderspezifischen Regelungen vorsieht, könnte dazu beitragen, diese Bürokratie abzubauen.

Lieber ein Fax mehr als eine Richtlinie weniger - Bürokratie als Hindernis.
Lieber ein Fax mehr als eine Richtlinie weniger – Bürokratie als Hindernis. Bild von Jana Schneider auf Pixabay

Eine solche Reform hätte den entscheidenden Vorteil, den Alltag zu vereinfachen. Wenn beispielsweise Steuergesetze, Bildungssysteme oder Gesundheitsvorschriften einheitlicher wären, könnten Bürgerinnen und Bürger besser verstehen, was von ihnen erwartet wird. Dies würde nicht nur die individuelle Lebensqualität verbessern, sondern auch die Wirtschaft ankurbeln, indem es Unternehmen ermöglicht, effizienter zu arbeiten.

Der Deutschland-Pakt als Zwischenschritt

Zusätzlich könnten durch eine Föderalismusreform Ressourcen besser genutzt werden. Durch die Vereinheitlichung von Regelungen könnten Mittel und Kapazitäten in der Verwaltung freigesetzt werden, die dann für drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Digitalisierung eingesetzt werden könnten. Dies könnte dazu beitragen, Deutschland besser für die Zukunft zu rüsten.

Der Deutschland-Pakt setzt sich zwar ehrgeizige Ziele, doch eine Föderalismusreform der bürokratischen Zuständigkeiten würde langfristig effektiver sein. Leider scheint eine Einigung auf eine solche Reform aufgrund parteipolitischer Taktiererei unwahrscheinlich zu sein. Darum bleibt nur zu hoffen, das wenigstens der Pakt für Deutschland greift, um der undemokratischen Alternative weniger Angriffsfläche gegen die „Altparteien“ zu bieten.

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